Worum geht es eigentlich beim Wegerecht?
In dem nachfolgenden Beitrag geht es um einen Ausschnitt des Wegerechts, nämlich die Bedingungen, unter denen die Betreiber von Leitungen zur Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Gas oder Wasser, zum Anbieten von Telekommunikationsdienstleistungen oder auch zum Transport von Abwasser fremde Grundstücke benutzen dürfen.
Die Frage ist im Moment von hoher Relevanz, weil immer mehr Leitungen errichtet werden müssen, um Strom aus erneuerbaren Quellen (insbesondere Windräder) an andere Orte zu transportieren.
Wenn der Betreiber einer solchen Leitung diese von A nach B verlegen und betreiben will, nimmt er hierfür eine Vielzahl von Grundstücken in Anspruch:
• Verkehrswege wie Straßen oder Eisenbahnstrecken, manchmal auch Bundeswasserstraßen oder
• andere Grundstücke, die im Eigentum von Gemeinden, Privatpersonen oder sonstigen Personen gehören.
Er kauft diese Grundstücke natürlich nicht alle, sondern schließt Verträge über die Grundstücksnutzung. Diese Grundstücke kann der Betreiber der Leitungen nämlich nicht ohne eine rechtliche Grundlage benutzen, die ihm dies gestattet. Wenn eine solche Gestattung nicht vorliegt, kann der Grundstückseigentümer die Entfernung der Leitung auf Kosten des Betreibers verlangen, § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB.
Neben diese privatrechtlichen Bestimmungen gibt es eine Reihe öffentlich – rechtlicher Bestimmungen, die möglicherweise anzuwenden sind:
• Die wegerechtlichen Bestimmungen aus dem Energiewirtschaftsgesetz, §§ 43 ff EnWG,
• öffentlich-rechtliche Bestimmungen, insbesondere aus dem Naturschutz – und Artenschutzrecht,
• wasserrechtliche Bestimmungen, wenn ein Gewässer überquert werden muss oder
• denkmalschutzrechtliche Bestimmungen, wenn es um Leitungsgräben geht - praxisrelevant! Sie könnten ja im Leitungsraben eine alte Münze oder Reste einer römischen Siedlung finden.
Welche Rechte ergeben sich aus dem Eigentum des Grundstückseigentümers?
Das regelt § 903 BGB: Der Eigentümer eines Grundstücks kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.
Wie immer bei Gesetzestexten muss man ein wenig weiterlesen: von dem Recht aus Eigentum nach § 903 BGB gibt es einige Ausnahmen in den Folgeparagraphen, und bei den Recht, die Entfernung der Leitung verlangen zu können ist stets zu prüfen, ob der Betreiber der Leitung das Grundstück nicht doch wegen einer vertraglichen Abrede oder einer gesetzlichen Vorschrift benutzen darf.
Aber es gilt der Grundsatz, der für jeden Betreiber einer Versorgungsleitung wichtig ist: wenn es kein (nachweisbares) rechts zur Benutzung eines fremden Grundstücks gibt, dann kann der Grundstückseigentümer vom Betreiber der Leitung in der Regel die Entfernung der Leitung verlangen und dies auch vor Gericht durchsetzen. Das führt dann für den Betreiber der Leitung zu erheblichen Kosten.
Vertragsmuster
In der Versorgungswirtschaft haben sich eine Reihe von Standardverträgen entwickelt, mit denen die rechtliche Grundlage für die Nutzung fremder Grundstücke gelegt wird:
• Straßen innerhalb einer Kommune
Hier gibt es in der Regel Konzessionsverträge oder wegen Nutzungsvertrag zwischen der Stadt als Eigentümer des Straßengrundstückes und dem Leitungsbetreiber, der nicht immer auch der Versorger mit Energie sein muss.
Für die Betreiber von Kanälen sind besondere Vereinbarungen notwendig, sofern das Recht zur Nutzung kommunaler Straßen sich nicht bereits aus der Mitgliedschaft, zum Beispiel in einen Zweckverband oder in einem Wasser – und Bodenverband ergibt.
• Für die Benutzung von Gelände der Deutschen Bahn AG haben die Verbände der Versorgungswirtschaft und die Deutsche Bahn AG Musterverträge vereinbart, die Flächendeckend angewendet werden.
• Für die Nutzung von privaten Grundstücken ist zunächst zu unterscheiden, ob die Nutzung des Grundstückes innerhalb eines Vertrages zur Versorgung mit Gas, Elektrizität oder Wasser erfolgt oder ob der Grundstückseigentümer kein Kunde des Leitungsbetreiber ist.
Im zuerst genannten Fall regeln die Bedingungen über die Versorgung mit Elektrizität, Gas oder Wasser das Recht des Grundstücks. In zuletzt genannten Fall muss der Betreiber der Versorgungsleitung einen Vertrag mit dem Eigentümer schließen. Auch hier gibt es Standardverträge. Wichtig ist, dass der Betreiber der Versorgungsleitung ein dauerhaft sicheres Grundstücksbenutzungsrecht erlangt, da schuldrechtliche Verträge wie zum Beispiel Miete kündbar sind, kommt hier alleine eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach §§ 1090 BGB ff gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Betracht.
• Für die Betreiber von Telekommunikationsleitungen gibt es wiederum besondere Bestimmungen im Telekommunikationsgesetz.
Es handelt sich beim Wegerecht um eine spezielle Rechtsmaterie. Selbst kleine Unterschiede bei der Benutzung von fremden Grundstücken durch Versorgungsleitungen können zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen. Die Rechtsprechung hierzu ist vielfältig. Dabei geht es meistens um erhebliche Geldsummen. Wer also beruflich mit der Sicherung von Wegerechten zu tun hat, sollte mit den Grundlagen vertraut sein.
Und übrigens auch zu der Frage, was ein Leitungsbetreiber tun kann, wenn er nicht zu einer freiwilligen Vereinbarung über ein Recht zur Grundstücksbenutzung kommt, beispielsweise, wenn man sich nicht über das Geld einigen kann. Oder die Frage, welche Rolle die verjährung bei der Bearbeitung wegerechtlicher Fragen spielt.
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Per Seeliger